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Kommentar:
Arbeit neu definieren und verteilen

Ist Armut weiblich? Nein, natürlich nicht. Auch Millionen von Männern müssen aufstocken, leben von Hartz IV, sind von Armut  be- troffen. Ist Armut also geschlechtsneutral? Nein, natürlich nicht. Familien mit kleinen Kindern sind doppelt so oft von Armut betroffen, als der Schnitt der Bevölkerung. Das liegt vor allem auch daran, dass Alleinerziehende, also in der Regel Frauen, besonders benachteiligt sind. Eine der weiteren vielfältigen Ursachen für das erhöhte Armutsrisiko von Frauen liegt in der ungleichen Bezahlung für ihre Er- werbsarbeit. Immer noch bekommen Frauen im Durchschnitt einen Lohn der ein Viertel unter dem Lohn von Männern liegt. Immer noch ist die Reproduktionsarbeit ungerecht zwischen den Geschlechtern verteilt. 75 Prozent der Putzarbeit wird immer noch von Frauen erledigt. Und bundesweit sind zwei Drittel aller Mütter mit Kindern unter drei Jahren nicht erwerbstätig. Die Armut im Alter trägt tat- sächlich ein weibliches Gesicht. Durch die Krise wird die Armut weiter wachsen. Deswegen sind alle Forderungen, die geeignet sind, Armut substanziell zu bekämpfen, richtig und wichtig.

Gleichzeitig müssen wir viel weiter in die Zukunft denken. Was soll aus der Krise heraus entstehen? Ein Zurück in die Zeiten vor der Krise, und erst recht eines in die „soziale Marktwirtschaft“, wird es nicht geben. Wird es einen, sich an seinen industriellen Urformen orientierenden Kapitalismus geben, in dem die Mehrheit der Bevölkerung dem Elend nahe ist, oder gar darin versinkt? Die einzig denk- bare Alternative dazu wird eine Gesellschaft sein, in der alle Verteilungsfragen grundsätzlich neu gelöst werden.

Arbeit wird in dieser Gesellschaft neu- und umbewertet werden. Ein neues System des Wirtschaftens, eines, das sich nicht mehr an privaten Profiten sondern allein am Allgemeinwohl orientiert, wird in seiner Produktivität nicht hinter dem bisherigen zurückstehen müssen. Deswegen wird Teilzeit so zu verstehen sein, dass Menschen tatsächlich nur noch einen sehr viel geringeren Teil ihrer Zeit für die klassische Form der (Erwerbs-) Arbeit aufwenden müssen

Bei dieser Neubewertung von Arbeit orientieren wir uns an der Vier-in-einem Perspektive. Wir wollen, dass alle Menschen, Männer und Frauen, in den vier Bereichen tätig sein können, auf die eine Gesellschaft angewiesen ist und deren Vielfalt das Leben der Individuen reicher macht. Gemeint ist damit erstens Erwerbsarbeit, zweitens Arbeit in Familie und Partnerschaft, drittens Arbeit in Gesellschaft und Politik und viertens Arbeit an sich selber, vorstellbar als Weiterbildung, Muße oder kulturelle Betätigung.

DIE LINKE und wir Feministinnen in ihr behaupten nicht, solche Modelle quasi maßstabsgerecht aus dem Hut zaubern zu können. Aber gerade weil die Krise neue, realistische Antworten erfordert, sind viele Frauen in der Partei entschlossen, nicht nur an der Antikrisen- politik, sondern vor allem auch an den darüber hinausgehenden Perspektiven zu arbeiten. Wir maßen uns nicht an, das alles alleine schaffen zu können. Deswegen laden wir alle interessierten Frauen und Männer ein, mit uns die Wege in eine neue Gesellschaft zu suchen und zu finden, im ebenso solidarischen wie kritischen Diskurs.
 

(Cornelia Möhring, DIE LINKE, Landessprecherin)